Hintergrund: Der Übergang in den Ruhestand ist individuell wie gesellschaftlich von großer Bedeutung. Gleichzeitig wandeln sich wichtige Bedingungen dieses Übergangs in Deutschland, nämlich Zusammensetzung der Erwerbsbevölkerung und Arbeitsbedingungen. Es ist politisches Ziel, die Erwerbsbeteiligung von Personen über 50 Jahren weiter zu erhöhen. Die Frage, wann und warum Menschen das Erwerbsleben verlassen, spielt dabei eine wichtige Rolle.
Fragestellung: Die explizite Rolle der Motivation beim Übergang in den Ruhestand wurde bisher wenig untersucht. In großen Studien, die Arbeit, Gesundheit und/oder Erwerbsteilhabe untersuchen, dominieren einfache Motivationsindikatoren, die nur zum Teil anschlussfähig an motivationspsychologische Theorien sind. In dieser Arbeit wird die Konstruktvalidität einer motivation to work in Abgrenzung von motivation at work und motivation to retire nach dem Denkmodell von Kanfer, Beier und Ackerman (2013) überprüft.
Methode: Anhand von querschnittlichen Befragungsdaten der lidA-Studie (Welle 2, 2014) von 4.042 Erwerbstätigen im Alter von 49 und 55 Jahren werden die Rangkorrelationen der Motivationen untereinander getestet. Zweitens wird mit Hilfe multivariabler logistischer Regressionen überprüft, ob Prädiktoren aus Arbeits- und Privatleben die drei Motivationen in jeweils spezifischer Weise vorhersagen. Diese Analyse wird zudem nach Geschlecht und Alter stratifiziert. Motivation to work wurde operationalisiert mit der Frage, bis zu welchem Alter man gerne arbeiten wolle, motivation at work mit drei Items zur intrinsischen Arbeitsmotivation und motivation to retire mit der Frage nach der Häufigkeit des Gedankens an die eigene Erwerbsaufgabe. Ergebnis: Motivation to work war nur gering positiv assoziiert mit motivation at work und gering negativ mit motivation to retire. Die Hypothese eigenständiger Konstrukte wird dadurch unterstützt.
Die Prädiktoren zeigten hypothesenkonform einige unterschiedliche Zusammenhänge mit den drei Motivationen. So hing z. B. Alter positiv mit motivation to work zusammen, während es keinen Zusammenhang mit motivation at work zeigte. Gesundheit wiederum hing negativ mit motivation to retire zusammen, aber nicht mit motivation to work. Stärkster (negativer) Prädiktor für motivation to work war eine positive Einstellung des Umfelds zum frühen Ausstieg, stärkster (positiver) Prädiktor für motivation to retire waren hohe quantitative Anforderungen in der Tätigkeit. Bei der Hälfte der Prädiktoren unterschieden sich die Zusammenhänge nach Alter und/oder Geschlecht. Insgesamt wurde motivation at work durch die gewählten Prädiktoren besser vorhergesagt als die anderen beiden Motivationen.
Diskussion und Schlussfolgerungen: Motivation to work ist als Konstrukt weder mit motivation to retire noch mit motivation at work austauschbar. Bei folgenden Untersuchungen sollte dieses Konstrukt umfangreicher operationalisiert werden, um reliabler messen zu können. Zukünftige Analysen zum Ruhestandsübergang sollten Alters- und Geschlechtsunterschiede nicht außer Acht lassen. Darüber hinaus sollten Erkenntnisse der Arbeits- und der Motivationspsychologie in der interdisziplinären Forschung zur Erwerbsteilhabe Älterer und zum Ruhestandsübergang stärker genutzt werden.
Schlagwörter: Motivation, Arbeitsfähigkeit, Gesundheit, Rente, Ruhestand, demografischer Wandel, ältere Beschäftigte, Alter, Erwerbsteilhabe