Die vorliegende Dissertation gibt neue Einsichten in den Spurengastransport in der Tropopausenregion und in Prozesse, die die chemische Zusammensetzung der oberen Troposphäre und unteren Stratosphäre (UT/LMS) bestimmen. Die Arbeit trägt damit zu einem besseren Verständnis der vorherrschenden Prozesse in dieser atmosphärischen Region bei. Verschiedene Fragestellungen werden erörtert, wie saisonale und breitenabhängige Kopplung zwischen UT und LMS, Spurengasverteilung und -variabilität, Identifikation der zugrunde liegenden Transport- und Mischungsprozesse sowie deren Einfluss auf die atmosphärische Spurengaszusammensetzung.
Der experimentelle Teil der vorliegenden Dissertation behandelt die Durchführung von hoch aufgelösten flugzeuggestützten in situ Messungen von H₂O und O₃ in der UT/LMS im Rahmen des AFO 2000 Projektes SPURT. Die Auswertungen in dieser Arbeit basieren auf diesen Messungen im europäischen Sektor zwischen November 2001 und Juli 2003. Mit einem innovativen Kampagnenkonzept liefert SPURT als erstes Projekt einen qualitativ hochwertigen Datensatz mit umfassender saisonaler Abdeckung über einen Breitenbereich von 20 bis 80°N. In mehreren Kampagnen konnten verschiedene Austauschereignisse durch die Tropopause und charakteristische Strukturen für bestimmte meteorologische Situationen identifiziert werden. Erhöhtes H₂O von einigen 10 ppmv nahe der Tropopause und in der LMS wurde ganzjährig detektiert. Für einen umfassenden Einblick in Prozesse sowie räumliche Spurengasvariabilität wurden Korrelationen, Häufigkeits- sowie 2-d Wahrscheinlichkeitsverteilungen unter Verwendung chemischer, thermischer und dynamischer Koordinaten erstellt. Neben saisonalen Spurengaszyklen in der UT und LMS zeigen die Verteilungen kompakteste Strukturen und beste Korrelationen in Abhängigkeit von potentieller Vorticity (PV) und Abstand zur Tropopause.
Spurengasverteilungen im Raum der potentiellen Temperatur und der äquivalenten Breite sowie Trajektorienrechnungen zeigen die Existenz einer extra-tropischen Mischungsschicht, die der Tropopause bzw. PV-Flächen folgt. Diese Mischungsschicht, mit einer strengen troposphärischen Kopplung, erstreckt sich einige 10° polwärts in äquivalenter Breite und einige 10 K in potentieller Temperatur über die Tropopause. Mittels Spurengaskorrelationen wurde kürzlicher troposphärische Einfluss bis weit in die LMS auf ca. 8-9 PVU abgeschätzt, unabhängig von der Jahreszeit. Langzeitsimulationen mit dem Jülicher CLaMS Modell konnten diesen Einfluss auch oberhalb der Mischungsschicht auf größere Transportzeitskalen zurückführen.
Für eine Vergleichsbasis der in situ Messungen und deren klimatologische Einordnung wurde auf Basis von ECMWF Analysen eine etwa 2-jährige "Klimatologie" von H₂O und Parametern an der Tropopause erstellt. Der H₂O-Zyklus ist primär durch Eintrittswerte an der Tropopause bestimmt und somit durch saisonale und breitenabhängige Temperaturänderungen. Die H₂O-Variabilität ist demnach über die Temperaturhistorie der Teilchen verfolgbar. In Verbindung mit Rückwärtstrajektorien wurde der Einfluss von Transport durch die extra-tropische Tropopause untersucht. Die SPURT Messungen zeigen Auftreten von und Potential für (Über-)Sättigung und Zirrenbildung in und oberhalb der Tropopausenregion. Dies indiziert, dass Troposphären-Stratosphären Transport (TST) mit Gefriertrocknung verbunden ist. Anwendung der RDF-Technik auf Felder der PV und der Eissättigung konnte feinskalige Strukturen, die in den verwendeten meteorologischen Analysen nicht aufgelöst werden, erfolgreich rekonstruieren. Daneben wurden TST und frische Gefriertrocknungsprozesse in der UT/LMS identifiziert.
Die hoch aufgelösten SPURT-Messungen tragen erheblich zur Datenabdeckung der UT/LMS bei und liefern einen Grundstock für Modellsimulationen. Die gewonnenen klimatologischen O₃-Verteilungen wurden in CLaMS initialisiert, um die saisonale Spurengasvariabilität relativ zum Strahlstrom (Jet) zu studieren. Neben der Effektivität des Jets als quasi-isentrope Transportbarriere untersucht die Studie den Einfluss der Jetstärke auf die beobachteten O₃-Gradienten. Dabei dient der Jetkern als Ursprung eines natürlichen Koordinatensystems. Quasi-isentroper Austausch wird im Winter effektiv reduziert, wobei im Sommer junge troposphärische Luft aus den (Sub-)Tropen in die LMS transportiert wird. Die jeweiligen Auswirkungen werden aufgrund des integralen Effekts zum Ende einer Periode, das heißt im Frühling und Herbst, am deutlichsten.