Reaktivfarbstoffe zählen auch heute noch zur bedeutendsten Farbstoffklasse in der Textilfärberei, da der Anteil an Baumwolltextilien in den letzten Jahren gleich hoch geblieben ist. Farbstoffhydrolysate beeinträchtigen die ansonsten guten Nassechtheiten der Reaktivfärbung. Sie müssen daher in einem aufwändigen Waschprozess ausgewaschen werden, was mit einem hohen Wasser-, Energie- und Zeitbedarf verbunden ist. Die Farbigkeit des Abwassers steht einem Recycling und auch einer ungehinderten Einleitung der Abwässer in die Kanalisation im Wege (vgl. Anhang 38 der Abwasserverordnung). Sind die Abwässer jedoch ausreichend entfärbt, kann eine prozessnahe Wiederverwendung bei den Waschprozessen in der Textilveredlung ermöglicht werden. Bei dieser Form der Wasserkreislaufschließung kann der zur Entfärbung notwendige Aufwand an Chemikalien, Energie und Zeit wenigstens zum Teil zurückgeholt werden.
Die vorliegende Arbeit beschreibt den Abbau von ausgewählten Reaktivfarbstoffen mit Ozon. In Absprache mit der Firma DyStar wurde die Auswahl der Reaktivfarbstoffe nach typischen (repräsentativen) Chromophoren und Ankergruppen getroffen. Die Farbstoffe wurden zu Beginn der Arbeit in Form der Handelsware mit genauer Angabe der Zusatzmittel zur Verfügung gestellt. Mit vier Farbstoffen, die als Marine C, Gelb D, Blau E und Rot F bezeichnet werden, wurden umfangreiche Untersuchungen zum oxidativen Abbau und zu den dabei gebildeten Zwischen- und Endprodukten durchgeführt.
Da die Farbstoffe nach dem Färbeprozess im Abwasser als Hydrolysate vorliegen, wurden zunächst Hydrolysevorschriften ausgearbeitet. In Anlehnung an den Färbeprozess war es möglich die reaktiven Ankergruppen ohne Veränderung bzw. Zerstörung des chromophoren Systems schonend der Hydrolyse zu unterwerfen.
Die Ozonisierung der Hydrolysate erfolgte in einem Blasensäulenreaktor. Da die zahlreichen Zwischenprodukte nur in kleinen stationären Konzentrationen vorliegen, wurde zum besseren Nachweis ein SPE-Anreicherungsverfahren vorangestellt, durch das eine Fraktionierung in mittelpolare und polare Abbauprodukte vorgenommen wurde. Mit der RP-Chromatographie und der UV/VIS-Diodenarray-Detektion bzw. der Massenspektrometrie (LC-QTOF mit ESI / APCI) konnten die mittelpolaren Hauptkomponenten charakterisiert und zum Teil auch quantifiziert werden. Auf der Grundlage von Präzisionsmassen, die in den meisten Fällen mit Abweichungen ≤ 5 ppm vom theoretischen Wert bestimmt wurden (W-Modus, interner Standard), konnten in Verbindung mit Plausibilitätsbetrachtungen Strukturvorschläge gemacht werden. Diese wurden wenn möglich durch NMR-Untersuchungen (¹H- und 13C-NMR) von isolierten Abbauprodukten (präparative HPLC) abgesichert. Die Fraktion der polaren Produkte, die überwiegend aus kleinen organischen und anorganischen Anionen besteht, wurde dagegen mit der IC-MS nachgewiesen und quantifiziert.
Die Ozonisierung der Hydrolysate führt zu Zwischenprodukten mit kleinen stationären Konzentrationen. Nur in Ausnahmefällen wurde beobachtet, dass die Weiterreaktion eines Intermediates gegenüber dem Hydrolysatabbau deutlich langsamer war. Werden die im Anhang 38 geforderten Grenzwerte unterschritten [7 m-1 ( λ = 436 nm), 5 m-1 ( λ = 525 nm) und 3 m-1 ( λ = 620 nm)], so lassen sich die Hydrolysate nicht mehr nachweisen, was einem vollständigen Abbau entspricht. Die gebildeten mittelpolaren Intermediate sind ebenfalls nicht mehr detektierbar. Es liegen hauptsächlich sehr polare niedermolekulare Produkte (zum Teil Mineralisierungsprodukte wie Sulfat, Nitrat oder Chlorid) vor.
Bei den kinetischen Untersuchungen wurde das Verschwinden der Farbstoffhydrolysate in Abhängigkeit von der Zeit bestimmt (DAD- und TIC-Messungen). Nach einer Äquilibrierungsphase im Blasensäulenreaktor konnte eine konstante Ozonkonzentration angenommen werden. Bei der Auftragung von ln([Hydrolysat]ₜ/[Hydrolysat]₀) gegen die Zeit ergeben sich Geraden, deren Steigung den Geschwindigkeitskonstanten pseudo erster Ordnung k' entsprechen. Damit liegen Hinweise vor, dass die Konzentration der abbauenden Spezies Ozon während der Reaktion konstant bleibt (sind zwei oder mehrere Spezies am Abbau beteiligt, z. B. O₃, OH•, etc. ist die Konstanz von deren Konzentration Vorraussetzung für den experimentellen Befund). Unter Verwendung der Henry-Konstanten lässt sich für Ozon die Gleichgewichtskonzentration in der Reaktionslösung berechnen, aus der in Verbindung mit k' schließlich die bimolekularen Reaktionsgeschwindigkeits konstanten kHydrolysat+Ozon erhalten werden. Der für Gelb D Hydrolysat berechnete Wert kHydrolysat Gelb D+Ozon = 2,6 l*mol-1*s-1 stimmt gut mit Literaturdaten für strukturverwandte Verbindungen überein.
Der Verlauf der Oxidation der Farbstoffhydrolysate wurde mit den oben genannten strukturanalytischen Methoden untersucht. Da das Standardredoxpotential von Ozon (abhängig vom pH-Wert der Lösung) ausreichend groß ist, um Chlorid zu Chlor bzw. Hypochlorid zu oxidieren, war zu Beginn dieser Arbeit die Frage zu klären, ob und inwieweit die Oxidation in Anwesenheit von Chlorid (ist in praktisch allen Farbbädern bzw. Waschwässern enthalten) zu einer Sekundärbelastung mit chloraromatischen Verbindungen führt. Dazu wurde 1-Naphthol als Modellsubstanz eingesetzt. Im untersuchten pH-Bereich (pH 2 bis 11) waren neben den Produkten der Oxidation keine chlororganischen Verbindungen nachweisbar.
Die auf MS- und NMR-Daten beruhenden Strukturen der Zwischenprodukte ermöglichen im Hinblick auf die Abbauwege folgende Verallgemeinerungen:
- Verlust der Azobrücke und Einführung von OH-Gruppen an gleicher Stelle
- Verlust der Sulfatester- und Sulfonsäuregruppen
- Abspaltung von Hydroxyethylgruppen
- Bildung von Azoxybenzolen Trennleistung und Nachweisvermögen der RP-HPLC-MS-Methode reichen aus, um die Farbstoffe als Hydrolysate in komplexen Gemischen (Abwasser einer Trichromiefärbung, Realabwasser eines Färbereibetriebes) nachzuweisen. Dies gilt zu einem großen Teil auch für die bei Ozonbehandlung der Abwässer entstehenden Produkte, sowie für deren Zuordnung zu den jeweiligen Farbstoffen. Führt man die Restflotte und die farbigen Waschwässer aus der Reaktivfärberei zusammen einer oxidativen Entfärbung mit Ozon zu, so kann mit der oben beschriebenen Analytik der weitgehende Abbau nachgewiesen und ein wirtschaftliches Recycling ermöglicht werden.