Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde eine Betrachtung zum Stand der Untersuchung von Seeunfällen unter Berücksichtigung internationaler Bemühungen vorgenommen. Dabei wurde die Frage der strukturierten Aufarbeitung von Unfallberichten mit dem Ziel, eine solide statistische Basis für die Überprüfung bestehender und die Entwicklung neuer Regeln für die Schiffssicherheit zu gewinnen, in den Vordergrund gestellt. Obwohl Forschung und Politik sich seit längerer Zeit mit dieser Thematik beschäftigen, fehlt es an allgemein akzeptierten einheitlichen Definitionen und Verfahren in der Seeunfalluntersuchung. Aufgrund spezifischer Unterschiede zwischen der Schifffahrt und den anderen Transportmitteln bzw. sonstigen risikorelevanten Industrien (z.B. chemische oder Nuklearindustrie) lassen sich Lösungen für diese Verkehrswege auch nicht so ohne weiteres übernehmen.
Auf der Grundlage dieser festgestellten Defizite wird eine Unfallauswertungsmethode entwickelt, in deren Mittelpunkt ein Prozessmodell des maritimen Unfalls und ein daraus abgeleitetes Datenschema für die Erfassung relevanter Informationen zur Prozessbeschreibung des Unfalls und der unfallbegünstigenden Faktoren steht. Das Modell und das Datenerfassungsschema werden auf Beispiele der Passagierschifffahrt angewendet. Die Anwendung des Schemas und des Modells auf Unfälle in der Passagierschifffahrt erfolgte wegen der zu erwartenden detaillierteren Dokumentation dieser Unfälle, die durch das hohe öffentliche Interesse in diesem Bereich begründet ist. Obwohl die Anzahl der Unfälle für generelle Thesen im Unfallgeschehen nicht ausreichend ist, konnte nachgewiesen werden, dass es gerade bei den unfallbegünstigenden Faktoren im Bereich der Personale Informationsdefizite in den Berichten gibt. Anhand von Unfallberichten können Unfälle nur in sehr seltenen Fällen folgerichtig rekonstruiert werden. Das verdeutlicht die Notwendigkeit zu einem strukturierteren Vorgehen in der Zukunft.
Abschließend werden die Defizite im Seeunfallberichtswesen diskutiert und Auswirkungen für andere sicherheitsrelevante Vorhaben, wie z.B. Entscheidungshilfen in Notfällen als Beratungsgrundlage für die Schiffsführung, untersucht.