Das Thema des Wettbewerbs im ÖPNV wird in Deutschland derzeit sehr umstritten, oft aber auch einseitig diskutiert. Allerdings ist an vielen Fachbeiträgen zu erkennen, dass in Deutschland kaum bekannt ist, was Wettbewerb im ÖPNV bedeutet. Die Gegner des Wettbewerbes stellen diesen so dar, als sei er geeignet, den deutschen ÖPNV komplett zum Erliegen zu bringen. Befürworter gibt es wenige.
Der Verfasser dieser Arbeit hat jedoch bei Studien im Ausland festgestellt, dass offensichtlich der kontrollierte Wettbewerb im Vergleich zum unkontrollierten Wettbewerb oder einem geschlossenen Markt Vorteile bietet. Sowohl für den Kunden wie für die öffentlichen Haushalte als Finanziers des Nahverkehrs können durch kontrollierten Wettbewerb positive Effekte erzielen. Dies schien in Deutschland jedoch nur wenigen Menschen klar zu sein.
Der Verfasser hat daher in der Arbeit versucht, anhand des Beispieles Dänemark umfassend darzustellen, was kontrollierter Wettbewerb eigentlich bedeutet. Seine Vorteile, aber auch seine Nachteile werden einander gegenüber gestellt. Zuletzt galt es aber auch die Frage zu klären, warum in Deutschland die Meinung gegenüber diesem Ansatz so stark negativ geprägt ist. Kann man daraus ableiten, dass das „dänische Modell“ nicht ohne Weiteres auf Deutschland übertragen werden kann?
Abschließend werden Beispiele dafür gebracht, dass Wettbewerb auch in Deutschland bereits recht gut funktioniert und die oben genannten Vorteile auch hierzulande zu erkennen sind. Daher werden Handlungsempfehlungen an den Gesetzgeber sowie die am ÖPNV Beteiligten gegeben, was zu tun ist, um möglichst viele der Vorteile des Wettbewerbs für Deutschland zu nutzen, ohne die auch in Dänemark vorhandenen Negativaspekte zu wiederholen.
Hauptmerkmal des kontrollierten Wettbewerbs ist eine starke Dominanz des Aufgabenträgers gegenüber den Verkehrsunternehmen. Der Aufgabenträger ist in nahezu allen Fällen (gemeinwirtschaftliche Verkehre) allein für Art, Umfang und Inhalt eines Verkehrsangebotes zuständig. Er definiert die Bedingungen, zu denen ein von ihm benanntes Verkehrsunternehmen nach Abschluss eines Verkehrsvertrages die Leistung erbringt. Dabei entspricht die Definition der Eigenwirtschaftlichkeit nicht mehr der heute in Deutschland üblichen sehr offenen Definition, sondern ist stark eingeschränkt, so dass nur noch wirkliche Fahrgeldeinnahmen und diskriminierungsfrei gezahlte fahrgeldähnliche Zahlungen eingerechnet werden. Welches Unternehmen Vertragspartner des Aufgabenträger wird, wird in aller Regel durch ein Ausschreibungsverfahren ermittelt. Bei den Ausschreibungen steht nicht der Preis der Leistung im Mittelpunkt. Vielmehr können eine Reihe weiterer Entscheidungskriterien herangezogen werden. Dazu zählen Aspekte der Qualität, des Personals, des Umweltschutzes und der Kundenzufriedenheit. Die Gesamtliste der Kriterien kann theoretisch unendlich erweitert werden. Es ist aber davon auszugehen, dass jeder Extrawunsch des Aufgabenträgers den Preis der Leistung erhöht. Der Aufgabenträger hat es also vollständig in der Hand zu entscheiden, welche Qualität dem Fahrgast geboten wird, wie die Arbeitsbedingungen für das Personal sind und wie umwelt- oder sozial-verträglich der von ihm bestellte Verkehr ist. Aufgabenträger können dabei die kommunalen Gebietskörperschaften oder von ihnen gegründete Gesellschaften sein.
In Dänemark hat man mit Ausschreibungen bereits 1989 begonnen und somit mittlerweile fast 14 Jahre Erfahrung. Es ist dort deutlich zu unterscheiden zwischen Ausschreibungen in den großstädtischen Agglomerationen und den eher ländlich geprägten Bereichen. In den Großstädten, allen voran der Großraum Kopenhagen (hovedstadsområdet) sind die Ausschreibungsunterlagen höchst komplexe Gebilde, die mehr als 1000 Seiten umfassen können. Dabei ist ein sehr gelungener Aspekt, dass man die Qualität einer Leistung vorwiegend daran misst, ob sich dadurch die Kundenzufriedenheit ändert, da diese Voraussetzung für eine stärkere Nutzung des Angebotes ist. Ein Unternehmen, das einen hochwertigen Verkehr bietet, mit dem die Kunden sehr zufrieden sind, bekommt nicht nur einen Bonus während des laufenden Vertrages, bereits bei der Vergabe wird die Kundenzufriedenheit berücksichtigt. Dabei können als Kriterien auch Leistungen der gleichen Firma auf dem Gebiet anderer Aufgabenträger herangezogen werden. Um die subjektiven Meinungen der Kunden in ein objektives Bewertungsschema übernehmen zu können, hat man ein kompliziertes aber nachvollziehbares Analysemodell entwickelt.
Auf dem Land sind die Ausschreibungen weniger komplex. Das heißt aber nicht, dass dort die Anforderungen an die Verkehrsunternehmen weniger streng sind. Damit nicht jeder Aufgabenträger Verträge von hoher Komplexität ausarbeiten muss, was zu hohen Kosten führen würde, haben die kommunalen Spitzenverbände mit den Spitzenverbänden des Busgewerbes und dem Staat Standardbausteine entwickelt, die Teil der Ausschreibungsunterlagen werden können. Dadurch wird der Aufwand gerade der oft sehr kleinen Aufgabenträger-Gesellschaften (trafikselskaber) in vertretbaren Grenzen gehalten.
Besonders gelungen scheint auch der Umgang mit dem Personal zu sein. Mittels einer Reihe von teils gesetzlich vorgegebenen Regeln wurde es möglich, dass Ausschreibungen nicht zu Lasten des Personals gehen. Dies kann dadurch geschehen, dass der neue Betreiber das Personal des alten Betriebes zu den gleichen Konditionen übernimmt oder attraktive Angebote für ausscheidendes Personal geboten werden. Zwar gibt es langfristige Folgen für die Belegschaften, die jedoch in erster Linie neu eingestelltes Personal treffen. Einschnitte für das bisherige Personal werden so sozialverträglich wie möglich gestaltet.
Positive Effekte des „dänischen Modells“ waren deutliche sinkende Preise für die Erbringung von Leistungen, deutlich steigende Qualität und ein erweitertes Angebot, sowie zufriedenere Fahrgäste, was sich auch dadurch niederschlägt, dass der Abwärtstrend in den Fahrgastzahlen der vergangenen Jahre gestoppt werden konnte. Daneben konnten jedoch auch andere Effekte beobachtet werden. Der deutlichste war wohl eine erhebliche Konzentration unter den Verkehrsunternehmen. Der Markt wird in Dänemark heute nur noch von 3 großen Unternehmen beherrscht, zu denen noch ca. 100 kleinere Betriebe kommen. Außerdem war in den Anfangsjahren eine Lust zur Überregulierung bei den Aufgabenträger zu erkennen. Dadurch wurde teils das kreative und unternehmerische Potenzial derBetriebe nicht optimal ausgenutzt, was zu Verlusten führte. Diesen Trend hat man jedoch mittlerweile erkannt und versucht in neueren Verträgen den Unternehmen wieder mehr Freiraum zu geben.
Die EU ist derzeit dabei, eine neue Verordnung zum Wettbewerb im ÖPNV zu erstellen, die die gängige und bekannte Verordnung 1191/69 i.d.F. 1893/91 ablösen soll. Diese Verordnung orientiert sich weitgehend auch an dänischen Erfahrungen und legt den kontrollierten Wettbewerb als Grundsatz im ÖPNV der Union fest. Damit erteilt sie nicht nur den geschlossenen Märkten eine Absage, auch der in Britannien verbreitete unkontrollierte Wettbewerb wird abgelehnt. In der Arbeit werden die dänischen Erfahrungen und die neue EU-Verordnung (im Entwurf) verglichen.
In Deutschland gibt es eine starke Lobby gegen die Einführung des Wettbewerbes. Allerdings ist zu erkennen, dass die Front der Gegner immer weiter bröckelt und sich auch in Deutschland mittlerweile mehr und mehr Betriebe aber auch erste Aufgabenträger darauf einstellen, künftig Verkehre in den Wettbewerb zu stellen.
Bei den Gegnern des Wettbewerbes, unter denen der Verband Deutscher Verkehrsbetriebe (VDV) eine herausragende Stellung einnimmt, ist festzustellen, dass sie als einziges Argument fürchten, die bisher in Deutschland tätigen meist öffentlichen Verkehrsunternehmen könnten den Wettbewerb nicht überleben, da sie nicht wettbewerbsfähig sind. Dieses Argument wird jedoch nur selten explizit genannt, vielmehr werden eine Reihe rechtlicher und sonstiger Argumente genannt, die aber den Charakter einer Scheindiskussion haben. Es gibt Fälle, in denen die nur selten gut unterrichtete (Fach-)Öffentlichkeit, mit abschreckenden, aber meist falschen oder verschleiernden Argumenten zu ängstigen versucht wird. Dies scheint gelungen zu sein, denn neben den Unternehmen haben sich eine Reihe von Meinungsbildnern der Argumentation des VDV angeschlossen, auch wenn der Wettbewerb für die eigene Klientel durchaus Vorteile bringen könnte. Die Lobby der Befürworter hat noch keinen so deutlichen Sprecher gefunden, wie dies der VDV für die Seite der Gegner ist. Leider konnte in dieser Arbeit die Meinung des VDV nur aus Veröffentlichungen gezogen werden, da sich der VDV mehrfach jeglicher Zusammenarbeit mit dem Verfasser widersetzt hat. Einige Argumente der Gegner entstammen aber auch der Tatsache, dass die Vorteile des Wettbewerbs hierzulande kaum bekannt sind. Oftmals wird der kontrollierte und unkontrollierte Wettbewerb in einen Topf geworfen, oder es werden längst widerlegte Argumente aufgewärmt. Der Mangel an zuverlässigen und neutralen Informationen ist daher offensichtlich das Hauptproblem im deutschen Meinungsbildungsprozess.
Die Befürworter eines kontrollierten Wettbewerbs auch in Deutschland argumentieren mit den im Ausland festgestellten Vorteilen, besonders der Preissenkung und der Qualitätssteigerung. Weiterhin erhoffen sich einige Aufgabenträger vom Wettbewerb eine Stärkung ihrer Position gegenüber den heute oft sehr dominanten Verkehrsunternehmen.
Beispiele für den Wettbewerb gibt es in Deutschland schon eine Reihe. Im SPNV ist der Wettbewerb schon deutlich weiter vorangeschritten, als auf der Straße. Zahlreiche Bundesländer haben ihren Nahverkehr auf der Schiene schon zu nennenswerten Teilen im Wettbewerb vergeben. Die Deutsche Bahn (DB) reagiert und versucht den Landesbehörden langfristige Verträge anzubieten, die mit Arbeitsplatzsicherung begründet werden. Aber auch der größte Konkurrent der Bahn, die Firma Connex, erobert Anteile, zuletzt auch im Fernverkehr. Aber auch auf der Straße beginnt der Prozess an Fahrt zu gewinnen. War der Kreis Kleve vor einigen Jahren noch Vorreiter, so finden sich heute Ausschreibungen auch schon in städtisch geprägten Gebieten und ganzen Verbünden, wie dem RMV wieder. Oftmals ist es von einzelnen Akteuren abhängig, wie ein Verbund sich dem Wettbewerb gegenüber verhält. Vorgestellt wird neben der französischen Connex-Gruppe auch die britische Firma Arriva, beides Firmen, die in Dänemark zu den Gewinnern des Wettbewerbes gehören, jetzt aber auch in Deutschland Fuß fassen.
Die wichtigsten Handlungsempfehlungen an die Beteiligten sind, dass der Gesetzgeber das völlig veraltete deutsche Nahverkehrsrecht gründlich reformieren sollte, damit heutige verkehrspolitische Ziele stärker als bislang Berücksichtigung finden können. Bislang berücksichtigt das geltende Recht nur gewerberechtliche Aspekte, Belange des Umweltschutzes oder Sozialstandards bleiben unberücksichtigt. Die Verkehrsunternehmen müssen begreifen, dass sie seit Jahren den Startschuss zu mehr Wettbewerb verschlafen haben. Sie hätten schon vor acht bis zehn Jahren beginnen müssen, sich auf die neue Situation einzustellen. Arglos ließen sie jedoch wertvolle Zeit verstreichen, so dass ihre Konkurrenten aus dem Ausland mittlerweile deutlich besser positioniert sind, was den deutschen Unternehmen in den kommenden Jahren schwer zu schaffen machen dürfte. Dennoch sind auch heute noch zahlreiche Unternehmen nicht bereit, mit allen Mitteln an ihrer Wettbewerbstauglichkeit zu arbeiten, sondern versuchen mit rechtlichen Argumenten den Wettbewerb so lange wie irgend möglich zu verhindern.
Aber auch die Aufgabenträger müssen sich erst auf die neue Situation einstellen. Vielmals herrscht bei den Aufgabenträger heute noch Ahnungslosigkeit vor. Die ersten Schritte in den Wettbewerb können aber nur gelingen, wenn bereits jetzt die Weichen gestellt werden. So gilt es, Kriterienkataloge zu definieren und Linien zu funktionierenden Bündeln zusammenzuschließen. Dies ist aber nur möglich, wenn sich die Aufgabenträger schnellstmöglich das Fachwissen aneignen, dass heute meist nur bei den Verkehrsunternehmen vorhanden ist. Verbünde und kommunale Spitzenverbände könnten hier deutliche Hilfestellung leisten. Einige Verbünde haben in dieser Hinsicht schon Pionierarbeit geleistet und betreiben Aufklärung und bündeln nötige Aufgaben.
Die Verschiebung des Kräfteverhältnisses zwischen Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen wird jedoch kein statisches Phänomen sein. Vielmehr ist eine wellenartige Verteilung von Kompetenzen wahrscheinlich. Zunächst ist es nötig, die Kompetenz der Unternehmen auf ein Minimum zu reduzieren, erst nach einiger Zeit werden beide Partner im Prozess eine Reife entwickelt haben, die durch gemeinschaftliches Miteinander ein Maximum an Kreativität und Leistungsbereitschaft möglich werden lässt.