Die in der Literatur verfügbaren Daten über die kinetischen und spektroskopischen Eigenschaften der Nitrylhalogenide ( XNO₂ ), Halogennitrite ( XONO ) und Halogennitrate ( XONO₂ ) sind unvollständig und teilweise widersprüchlich. Einige ausgewählte Reaktionen und UV-Spektren dieser Verbindungen wurden unter Verwendung der UV/VIS- und FTIR-Spektroskopie untersucht. Die Darstellung der Komponenten erfolgte in situ in einer Reaktionskammer ( V = 420 l ) durch die Photolyse von X₂/NO₂-Mischungen ( X = Cl, Br, I ) in den Wellenlängenbereichen 300 nm ≤ λ ≤ 500 nm oder 500 nm ≤ λ ≤ 700 nm in Stickstoff oder synthetischer Luft. Die Photolyse von Cl₂/NO₂-Mischungen im Wellenlängenbereich 300 nm ≤ λ ≤ 500 nm führt zu der Bildung von ClNO₂ und ClONO. Die experimentell ermittelten Konzentrations-Zeit-Profile für ClNO₂, ClONO und NO₂ sowohl während als auch nach Beendigung der Photolyse stehen in hervorragender Übereinstimmung mit Simulationsrechnungen, wenn in dem verwendeten Reaktionsmechanismus folgende Änderungen und Erweiterungen gegenüber den Literaturdaten berücksichtigt werden: Einführung der neuen Reaktion Cl + ClONO → Cl₂ + NO₂, k293K = ( 7,5 ± 1,0 ) x10-12 cm³ Molekül-1 s-1 eine heterogene Umwandlung von ClONO in ClNO₂ und NO2 eine Änderung des Verzweigungsverhältnisses für die beiden Kanäle der Rekombinationsreaktion von Cl-Atomen mit NO2 Für die Geschwindigkeitskonstante des thermischen Zerfalls von BrNO₂ bei 298 K und 1 atm synthetischer Luft wurde eine obere Grenze von 5x10-4 s-1 ermittelt. Der Mechanismus der Reaktion Br + NO₂ und die Thermochemie von BrNO₂ und BrONO werden unter Berücksichtigung der Ergebnisse dieser Arbeit und im Zusammenhang mit Literaturdaten diskutiert. Es wurden Hinweise dafür gefunden, dass BrONO das Hauptprodukt der Rekombinationsreaktion von Br-Atomen mit NO₂ sein könnte. Aus dem Zeitverhalten von ClONO, ClNO₂ und BrNO₂ in Gegenwart hoher NO-Überschußkonzentrationen ergaben sich für die Reaktionen 3, ClONO + NO → ClNO + NO₂, 4, ClNO₂ + NO → ClNO + NO₂ und 8, BrNO₂ + NO → BrNO + NO₂ die folgenden Geschwindigkeitskonstanten: k₃ = 7,5x10-12 exp [(-26,9 ± 0,7) kJ mol-1/RT] cm³ Molekül-1 s-1, k₄ = 1,5x10-12 exp [(-29,2 ± 3,4) kJ mol-1/RT] cm³ Molekül-1 s-1 und k₈ = 2,3x10-12 exp [(-17,8 ± 2,1) kJ mol-1/RT] cm³ Molekül-1 s-1. Die Darstellung von IONO₂ erfolgte durch die Photolyse von I₂/NO₂-Mischungen im Wellenlängenbereich 300 nm ≤ λ ≤ 500 nm. Das Zeitverhalten der IONO₂-Konzentration nach Beendigung der Photolyse war nicht reproduzierbar. Der Ablauf von heterogener Chemie auf während der Photolyse gebildeten Aerosolen könnte hierfür die Ursache sein. Der thermische Zerfall des IONO₂ sollte zur Bildung von IO-Radikalen führen. Die Zugabe von NO als Radikalfänger führte jedoch zu keiner Änderung des Zeitverhaltens der IONO₂-Konzentration. Unter den gegebenen experimentellen Bedingungen konnte die Geschwindigkeitskonstante für den thermischen Zerfall des IONO₂ nicht bestimmt werden. Das UV/VIS-Spektrum des INO₂ wurde zum ersten Mal gemessen. Das Spektrum zeigt drei lokale Maxima bei 242, 280 und 345 nm. Die Absorptionsquerschnitte wurden über die NO₂-Massenbilanz ermittelt. Man erhält als obere Grenzen: σ 242nm = 1,05 x 10-17 cm² Molekül-1, σ 280nm = 0,24 x 10-17 cm² Molekül-1 und σ 345nm = 0,098 x 10-17 cm² Molekül-1. Die photolytische Lebensdauer des INO₂ beträgt für den 1.Juli, 12 h,
50ᵒN ( 2,3 ± 1,7 ) min. Die kurze Lebensdauer des INO₂ nach Beendigung der Photolyse von τ 1/2 = 2 – 3 s verhinderte die Untersuchung der möglichen Reaktion INO₂ + NO → INO + NO₂. Die atmosphärenchemische Bedeutung wird diskutiert.