In Krisenzeiten geben journalistische Angebote Orientierung und bieten den Menschen Halt. Bei Naturkatastrophen, militärischen Konflikten, Großunfällen oder Terroranschlägen sind es die Medien, die mit ihren Informationsangeboten einen Überblick geben und der Gesellschaft damit helfen, das Geschehene einzuordnen und zu verarbeiten. Vielfach müssen Medienmitarbeiter dazu jedoch direkt in die Krisengebiete reisen, um die Hintergründe zu recherchieren. Denn nur auf diese Weise ist eine authentische Berichterstattung über die Lage vor Ort möglich.
Bei den Einsätzen in den Krisenregionen dieser Welt sind Journalisten wie auch die beteiligten Produktionsmitarbeiter Repressionen ausgesetzt. Sie werden verhaftet, entführt oder verletzt. Zahlreiche Medienmitarbeiter haben die gefährliche Arbeit sogar mit dem Leben bezahlt. So starben in den vergangenen achtzehn Jahren nahezu eintausend Journalisten bei Kriseneinsätzen. Allein im Jahr 2012 waren insgesamt neunundachtzig getötete Journalisten zu beklagen, mehr als je zuvor, seit die Organisation Reporter ohne Grenzen im Jahr 1995 die erste Jahresbilanz veröffentlichte. Auch werden vermehrt allgemeine Übergriffe auf Medienmitarbeiter registriert. So ist in den vergangenen Jahren die Zahl der Festnahmen und Entführungen von Journalisten sowie der Verletzungen und Traumata deutlich gestiegen.
Ziel der vorliegenden Dissertation ist, die bei Kriseneinsätzen auftretenden Risiken zu analysieren und daraus abgestimmte Maßnahmenmodule abzuleiten. Da die Analyse auf Grundlage von Daten realer Ereignisse erfolgen sollte, wurde ein Instrument zur Erhebung spezifischer Kennzahlen der Krisenberichterstattung benötigt. Zur Entwicklung eines effektiven Erhebungsinstruments wurde zunächst der Prozess der Krisenberichterstattung in einem Prozessmodell dargestellt. Auf dieser Basis wurde ein Interviewleitfaden zur Erhebung prozessualer Kennzahlen entwickelt. Um Defizite bei der Datenerhebung zu vermeiden, wurden die geschlossenen Fragen im Leitfaden um offene Fragen ergänzt. Die Entwicklung des Leitfadens erfolgte in Abstimmung mit insgesamt sechzig ausgewählten Experten aus der Krisenberichterstattung unter Anwendung des Delphi-Verfahrens.
Zur Erhebung der Daten wurden insgesamt 122 Medienmitarbeiter unter Anwendung des entwickelten Erhebungsinstruments detailliert zu ihren Erfahrungen bei Kriseneinsätzen befragt. Dabei wurden auch die persönlichen Voraussetzungen der Probanden dokumentiert. Darüber hinaus wurden die personellen, organisatorischen und technischen Maßnahmen mengenmäßig erfasst und um eine individuelle Bewertung durch die Probanden ergänzt. Die Befragung der Probanden erfolgte entlang des Prozessmodells zur Krisenberichterstattung und fand zum überwiegenden Teil in Form von Experteninterviews statt.
Zusätzlich zu den Kennzahlen wurden bei den Interviews auch Aussagen der Probanden dokumentiert, die außerhalb der im Interviewleitfaden festgelegten Themenbereiche lagen. Dadurch konnten wertvolle Hinweise im Hinblick auf die Entwicklung von Maßnahmenmodulen erfasst werden.
Zur Diskussion der Daten werden die gewonnenen Kennzahlen in Grafiken dargestellt. Die Illustration der Kennzahlen zur Qualität einzelner Maßnahmen erfolgt dabei jeweils parallel zur Darstellung der individuellen Bewertung der Einzelmaßnahme durch die Probanden. Durch die gewählte Form der Darstellung soll die Analyse vereinfacht werden. Darüber hinaus werden die Kennzahlen zur Quantifizierung einzelner Maßnahmen in gesonderten Grafiken dargestellt. Zusätzlich werden die dokumentierten Einzelaussagen der Probanden zu Themenclustern zusammengefasst und separat diskutiert.
Insgesamt erfolgt die Diskussion aller gewonnenen Daten überwiegend entlang des Prozessmodells. Zur Bewertung der Einzelmaßnahmen werden die Kennzahlen wie auch die Einzelaussagen der Probanden analysiert. Dabei wird auch berücksichtigt, inwieweit eine gegenseitige Beeinflussung der einzelnen Maßnahmen stattfindet. Durch diese Vorgehensweise soll die Transparenz der Ergebnisse signifikant erhöht werden.
Die Ergebnisse der Diskussion werden genutzt, einzelne Sicherheitsmaßnahmen im Gesamtkontext eines Risikomanagements zur Krisenberichterstattung zu betrachten. Um eine möglichst breite Anwendung der Einzelmaßnahmen zu gewährleisten, werden Einzelmaßnahmen zu Maßnahmenmodulen zusammengefasst. Anschließend wird die Auswirkung ausgewählter Maßnahmenmodule auf einzelne Risikofaktoren analysiert. Dadurch können Maßnahmen optimal auf die Bedürfnisse der Betroffenen und die Rahmenbedingungen des Kriseneinsatzes angepasst werden. Gleichzeitig soll damit auch ein effizienter Ressourceneinsatz ermöglicht werden.
Unter Anwendung des Prozessmodells wurde ein erweitertes Prozessmodell mit einem integrierten kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) in der Krisenberichterstattung entwickelt. Ziel ist, Erfahrungen vergangener Kriseneinsätze betroffenen Medienmitarbeitern zur Verfügung zu stellen. Dazu wird zurzeit eine Software- Applikation realisiert. Damit sollen Feedbackgespräche strukturiert und die daraus gewonnenen Informationen den Teilnehmern zukünftiger Kriseneinsätze zur Verfügung gestellt werden. Die Applikation wird vor der endgültigen Integration in den Unternehmen in ausgewählten Kriseneinsätzen ausführlich getestet.
Zusätzlich ist geplant, auf Grundlage der Ergebnisse ein erweitertes Handbuch zur Krisenberichterstattung zu realisieren. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie basieren auf der Befragung eines ausgewählten Panels. Um die Wirksamkeit der vorgeschlagenen Maßnahmenmodule sowie der Software-Applikation zu verifizieren,ist eine Evaluation nach einem definierten Zeitraum notwendig. In diesem Zusammenhang wird weiterer Forschungsbedarf gesehen.