In der Arbeit wird das analytische Potential des Individualisierungsansatzes für das Verständnis von Behinderung und die Lebenslagen von Menschen mit Behinderung erschlossen. Zunächst werden Theorie und Implikationen des Individualisierungsansatzes dargestellt (Kapitel 2). Auf dieser Grundlage wird eine Rekonstruktion des Verständnisses von Behinderung und des institutionellen Umgangs mit Behinderung im Prozess industriegesellschaftlicher Modernisierung vorgenommen (Kapitel 3). Im Mittelpunkt der kritischen Erörterung stehen das medizinisch dominierte sozialrechtliche Zuschreibungsverfahren sowie die institutionalisierte Bearbeitung von Behinderung durch das Rehabilitationssystem und die Organisationen der Behindertenhilfe. Im Anschluss wird untersucht, welche Auswirkungen der aktuelle Individualisierungsschub auf das Verständnis von Behinderung hat (Kapitel 4). Dabei dient die Leitidee der Antidiskriminierung als Folie zur Reflexion der nicht intendierten Folgen der Institutionalisierung von Behinderung. Es wird einerseits deutlich, dass es der Behindertenhilfe bisher versäumt hat, die Leitidee der Antidiskriminierung in ihre Praxis aufzunehmen, andererseits werden die Chancen eines solchen bürgerrechtlichen Ansatzes aufgezeigt.
Die Ausführungen werden durch die Auswertung von qualitativen Interviews illustriert, mit denen nach den Spuren der Individualisierung in lebensweltlichen Erfahrungen von Menschen mit Behinderungen im Individualisierungsprozess gesucht wird (Kapitel 5). Es wird gezeigt, wie reflexives Wissen in lebenslaufrelevanten Entscheidungen wirksam und durch die Behinderung auf spezifische Weise restriktiv beeinflusst wird.
Im abschließenden Kapitel 6 werden die Chancen beschrieben, die der Individualisierungsansatz für die Modernisierung der Behindertenhilfe eröffnen kann. Es wird aber gleichzeitig ausgeführt, wie der Individualisierungsansatz selbst präzisiert werden kann, indem Lebenslagen untersucht werden, die in hohem durch Vorgaben des sozialen Sicherungssystems beeinflusst sind.